„Als Fritz am 1. März 1993 auf Sendung ging, da war es vor allem eines: ein Experiment. Eines der ersten wirklichen Ost-West-Projekte. Gemeinsam versuchten junge Kollegen von Rockradio B (Ost) und Radio 4U (West) ein Radioprogramm zu gestalten, in dem sich der 15jährige Cottbusser ebenso wiederfinden konnte wie der 24jährige West-Berliner. In Berlin prallten Ost und West am intensivsten und authentischsten aufeinander, viele Biographien änderten sich schlagartig. Die Kämpfe und Auseinandersetzungen des Alltags fanden ihre Fortsetzung in der Fritz-Radaktion, das Fritz-Programm der Anfangsjahre war ein Spiegel der Umbrüche und schnellen Veränderungen. Fritz hatte von Beginn an den Auftrag und Anspruch, Metropolen-Radio und Landfunk zugleich zu sein. Also in Perleberg oder Lauchhammer genauso authentisch zu klingen wie in Berlin-Kreuzberg oder Prenzlauer Berg.“
(Auszug der Herausgeber Roland Galenza, Kerstin Topp und Philip Meinhold aus dem Vorwort des Buches „An, laut, stark. Fritz: Das Buch zum Radio“)
Liebes Radio Fritz,
heute, am 1. März 2013, wirst du nun also schon unglaubliche 20 Jahre alt. Wow! Wie die Zeit vergeht! Als du „geboren“ wurdest war ich selbst 9 Jahre alt und interessierte mich eher für Hörspiele als für den Jugendrundfunk der damals noch unter dem Namen ORB agierenden Landesrundfunkanstalt Brandenburgs.
Als ich dann älter wurde fand ich dich zunächst merkwürdig. Du warst so ganz anders als die Radiosender, die beispielsweise meine Eltern hörten. Frecher, unkonventioneller, schneller. Da gab es einen Mike Lehmann, der komisch sprach, eine Susanne, die die Hörer zu ihrem ganz eigenen Frühsport animieren wollte und einen Jürgen Kuttner, der soviel redete, das einem die Ohren nach einer halben Stunde des Lauschens glühten. Und auch die Musik, die bei euch lief, hob sich ab von dem, was ich als Teenager, der gerade die Popwelt für sich entdeckte, bisher so kannte. Nun ja, Fritz, Liebe auf das erste Hören war das nicht zwischen uns. Aber irgendwie hast du mich dann doch so fasziniert, dass ich schließlich doch immer mal wieder reingeschaltet habe und schlieÃlich bis heute kleben geblieben bin.
Ich lernte deine Andersartigkeit zu schätzen. Du hast mich zum Nachdenken angeregt, denn du hast uns Jugendlichen Politik und Kultur auf deine dir ganz eigene Art und Weise vermittelt. Und das nicht belehrend von oben herab, sondern immer unter Einbezug deiner jungen Hörerschaft. Wir fühlten uns von dir und den Moderations-Fritzen verstanden in einer Zeit, in der mit und in einem selbst viele oft beängstigende und rasante Veränderungen vorgehen. Wie oft habe ich abends wach gelegen und den Gesprächen und Diskussionen im „Blue Moon“ gelauscht. Vor allem der Freitags-„Blue Moon“ mit Luci van Org, der Sängerin von Lucilectric (der Band mit dem „Mädchen“-Song), bei dem Hörer anderen Hörern bei Problemen halfen, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.
Ich lernte auch deine Frechheit und deinen ganz typischen Fritz-Witz zu lieben. Wie haben wir uns damals alle kaputtgelacht bei jedem neuen Jingle, der über den Äther geschickt wurde (Wer erinnert sich nicht an: „Was machen Sü den? – „Ich verkaufe Westen im Osten.“ – „Nor den.“). Auch die Fritzinnen und Fritzen hinter den Mikros waren einfach immer spritziger, spontaner und charmanter als die meisten Kollegen des Formatradios. Ein Jürgen Kuttner, ein Tommy Wosch oder ein Ken Jebsen sind bis heute Unikate. Auch, weil sie sich getraut haben andere Wege zu gehen und keine Scheu davor hatten, was man über sie und ihr Programmkonzept denken könnte.
Dein Musikprogramm, liebes Radio Fritz, hat sicher entscheidend meine eigene musikalische Sozialisation mitgeprägt. Du hast meinen Horizont erweitert und mich an Genres herangeführt, die weit außerhalb der Mainstream-Charts lagen. Und du hast immer ein Herz für Lokal-Matadoren aus Berlin und Brandenburg gehabt.
Ich höre dich nun seit bereits 15 Jahren und inzwischen bist du ein wirklich guter Freund, ein ständiger Begleiter so vieler Lebensstationen geworden. Schule, erster Freund, Studium, erste Wohnung, erster Job – und du Fritz, du warst irgendwie immer dabei. Deine Moderatoren haben 2002 während der Fußball WM unseren damaligen Direktor angerufen und dafür gesorgt, dass wir nachmittags schulfrei bekamen, um das Deutschland-Spiel schauen zu können.
Ich durfte mit Radio-Fritze Tom Ehrhardt Probemoderieren und Fritz-Reporterin Magdalena Bienert stattete mir und Musiker-Freunden aus der Heimat einen Interview-Besuch ab.
Bei dir habe ich exklusive Tickets gewonnen, wie damals, als Wir sind Helden ihr neues Album im Radialsystem einem kleinen Publikum vorab präsentierten oder wie dieses Jahr für ein intimes Radiokonzert mit Jake Bugg in deinen Studios. Auch bei der FritzClub-Eröffnung im Postbahnhof gehörte ich zu den glücklichen Gewinnern. Und nie werde ich die tollen Stunden im „Café Schoenbrunn“ in Friedrichshain während des LoveRadios zur Berliner Love Parade vergessen. Tanzen, chillen und die Sonne genießen, während das ganze Wochenende lang international bekannte DJs die Platten drehen lieÃßen – das war eigentlich noch ein bisschen schöner als die groÃße Parade auf der StraÃße des 17. Juni selbst.
Wenn ich nicht selbst dabei war, so habe ich die Übertragungen mitgeschnitten. Was meinst du, liebes Radio Fritz, wieviele Kassetten ich noch besitze mit Mitschnitten diverser von euch übertragener Radiokonzerte, der Love Parade, der Mayday oder verschiedener Songs aus dem Tagesprogramm? Sonntags gab es immer die Fritz-Charts „20 plus 1“ – da habe ich dann immer davor gesessen, um mir meine Lieblingssongs aufzunehmen – was war ich verärgert, wenn Moderatorin Hadnet Tesfai dann da reingequatscht hat (und das tat sie oft!) ;-).
Viel hat sich geändert in 20 Jahren Radio Fritz. Alte Stimmen und Sendeformate gingen, neue kamen hinzu und haben das Programm bereichert. Viele liebgewonnene Moderatoren kann man inzwischen bei der Welle für Erwachsene, dem Sender Radio Eins, wiederhören. Auch mich zieht es mehr und mehr dorthin. Auch wenn ich dich natürlich auch noch nach wie vor sehr gern höre, liebes Radio Fritz. Aber ich weiß dich auch so in guten Händen. Die nächste Generation wird dich genauso verehren und zu schätzen wissen, wie wir es getan haben. Also weiterhin volle Kraft voraus („weita weita“, du weißt schon 😉 ), Kurs halten, verrückt, kreativ, anders und wagemutig bleiben und bloß nicht verbiegen lassen!
Deine treue Hörerin Nicky
>>> Hier gibt’s die Doku zum Jubiläum
Außerdem noch wissenswert (und dem wikipedia-Artikel entnommen): Die aus neun Tönen bestehende Erkennungsmelodie im Jingle ist eine majore Variation des Themas aus dem Song Radioaktivität der Band Kraftwerk, bedient sich also der Polysemie dieses Begriffs, um ein Wortspiel anzudeuten (radioaktiv – aktiv im Radio).
…und im Radio? Fritz!